Gericht entscheidet: Berufsbetreuerin handelte grob fahrlässig und sozialwidrig
Yvonne Brendel
Fachfrau für Versicherungen i.A.
12.05.2020

Gericht entscheidet: Berufsbetreuerin handelte grob fahrlässig und sozialwidrig

Gut, wer eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung hat

Auch als Berufsbetreuer können Ihnen, während Ihrer Tätigkeit Fehler unterlaufen, welche sie selbst erst einmal nicht als Fehler wahrnehmen, geschweige denn als ein grob fahrlässiges Handeln. Genau dies ist aber eine Lage, in der sie sich schnell wiederfinden könnten. Das folgende Beispiel1 soll Ihnen einen Einblick geben, wie eine bestimmte Handlung rechtlich beurteilt werden und welche Folgen dies für einen Berufsbetreuer haben könnte.

Was war passiert?

Frau A wurde 2001 als Berufsbetreuerin für Herrn B bestellt, u.a. zur Besorgung all seiner Vermögensangelegenheiten. Herr B ist auf Grund seines Gesundheitszustandes nicht mehr in der Lage für sich selbst Sorge zu tragen und ist in einem Pflegeheim untergebracht. Er bezieht neben einer monatlichen Rente seit 2013 auch Leistungen vom Sozialamt, welche Berufsbetreuerin Frau A für ihn beantragt hatte. Über die zur Berechnung der Höhe der Leistungen herangezogenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse, hatte Berufsbetreuerin Frau A zum Zeitpunkt der Antragstellung ordnungsgemäß an das Sozialamt Auskunft erteilt. Der Bescheid ging Berufsbetreuerin Frau A im September 2013 zu, in welchem sowohl auf die Vermögensfreigrenze von 2.600 € als auch auf die Meldung jeglicher Änderungen des Betreuten Herrn B bestreffend hingewiesen wurde. Nach späterer, eigenen Angabe von Frau A, habe sie das Schreiben komplett gelesen und zur Kenntnis genommen.

Soweit so gut, aber wie kam es zu einer Klage vor Gericht?

Es vergeht einige Zeit und Berufsbetreuerin Frau A überprüft im November 2015 die Einkommens- und Vermögenswerte ihres Betreuten Herrn B. Dabei stellt Frau A fest, dass Herr B nicht all seine bezogenen Leistungen zur Bedarfsdeckung benötigt hat und sich ein Vermögen von rund 4.250 € auf seinem Sparbuch und seinem Taschengeldkonto in der Pflegeeinrichtung angespart hatte. Am 30.11.2015 meldet sie die aktuellen Vermögensverhältnisse umgehend schriftlich an das zuständige Sozialamt und belegte diese mit den entsprechenden Kontoauszügen für das Jahr 2015. Darin war ersichtlich, dass die Vermögensfreigrenze von 2.600 € überschritten wurde.

Das Sozialamt reagierte und hob, nach vorangegangener Anhörung des Leistungsempfängers, Herrn B, den in 2013 erlassenen Bescheid am 27.01.2016 mittels Aufhebungsbescheid für das komplette Jahr 2015 auf. Er habe, auf Grund nicht rechtzeitig gemachter Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen zu Unrecht Leistungen erhalten. Diese hätte Herr B nicht bekommen, wenn die Informationen zur Berechnung der Bemessungsgrundlage ordnungsgemäß vorgelegen hätten.

Herr B legte gegen die Aufhebung des Bescheides einem Widerspruch ein, welcher vom Sozialamt abgelehnt wurde. Es wurde ein Klageverfahren eingeleitet vorm Sozialgericht Stuttgart durch Herrn B, welches aber am 29.09.2016 eingestellt wurde. Der Betreute Herr B hatte seine Klage in einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen und der Aufhebungsbescheid wurde bestandskräftig.

Unterdessen wendete sich das Sozialamt an Berufsbetreuerin Frau A und forderte mit Bescheid vom 06.04.2016 im Rahmen des Kostenersatzes rund 9.500 € von ihr als ursprüngliche Antragstellerin und Sorgeberechtigte für alle Vermögensangelegenheiten für Herrn B zurück, mit folgender Begründung:
Die Vermögensfreigrenze werde seit Anfang 2015 überschritten und die Sozialhilfebewilligung ist somit teilweise rechtswidrig. Der fehlerhafte und begünstigende Verwaltungsakt gegenüber Herrn B sei zum 27.01.2015 bereits aufgehoben worden. Durch die fehlende Mitteilung von Berufsbetreuerin Frau A an das Sozialamt, habe diese ihre Mitwirkungspflicht verletzt und zumindest grob fahrlässig gehandelt.
Am 18.04.2016 ging Berufsbetreuerin Frau A gegen den Bescheid vor und legte Widerspruch ein, mit der Begründung, dass sie weder grob fahrlässig noch vorsätzlich gehandelt habe.
Am 09.05.2016 erließ das Sozialamt einen Widerspruchbescheid, in welchem der Widerspruch zurückgewiesen wurde. Das Sozialamt begründet dies mit sozialwidrigem Handeln von Berufsbetreuerin Frau A. Sie habe das Sozialamt über 1 Jahr lang, also grob fahrlässig, nicht über das übersteigende Vermögen von Herrn B informiert. Ihre mangelnde Mitwirkungspflicht stelle sozialwidriges Verhalten dar.
Berufsbetreuerin Frau A ging gegen den Widerspruchsbescheid vor und reichte am 09.06.2016 beim Sozialgericht Ulm Klage ein. Sie war sich sicher, bei ihrer Berufsausübung nichts falsch gemacht zu haben. Zudem forderte das Sozialamt einen Kostenersatz in Höhe von rund 9.500 € von ihr, für welchen kein direkter Anspruch an sie bestünde. Sie habe am 22.06.2013 die Vermögensverhältnisse von Herrn B ordnungsgemäß angezeigt und somit sei das Sozialamt seit Beginn der Hilfeleistung über das Vermögen des Betreuten informiert gewesen. Zudem bestünde für sie keine Verpflichtung, die Vermögensverhältnisse insbesondere die des Taschengeldes von Herrn B monatlich zu prüfen. Eine Kontrolle, wie Herr B mit seinem Taschengeld monatlich handelt, sei für sie nicht leist- und auch nicht zumutbar.

Der Fall geht vor das Sozialgericht Ulm

Berufsbetreuerin Frau A (Klägerin) beantragt die Aufhebung des Bescheides vom 06.04.2016 und des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2016.
Das Sozialamt (Beklagte) hingegen beantragt die Klage abzuweisen.

Verhandlung vor Gericht:

Berufsbetreuerin Frau A begründete ihren Standpunkt damit, dass sie Ihrer Obliegenheitspflicht, jegliche Veränderungen über Einkommen und Vermögen Ihres Betreuten Herrn B bei Bekanntwerden zu melden, ja nachgekommen sei. Sie habe umgehend, als sie Ende 2015 feststellte, dass die Vermögensfreigrenze von 2.600 € überschritten war, eine Meldung an das Sozialamt gemacht. Es sei darüber hinaus auch nicht zumutbar und leistbar, dass sie die Einkommens- und Vermögenswerte ständig überprüfe.

Das Sozialamt hingegen sagt, dass Berufsbetreuerin Frau A durchaus die finanziellen Mittel des Betreuten Herrn B monatlich hätte prüfen müssen. Zum einen war ihr die Vermögensfreigrenze bekannt und zum anderen handelte es sich um eine monatliche Leistungserbringung (Bedarfszeitraum) in einem bestimmten Bewilligungszeitraum. Es ist daher naheliegend, dass auch die Überprüfung der Vermögensverhältnisse hätte monatlich stattfinden können.
Durch die nicht rechtzeitig angegebenen finanziellen Veränderungen des Herrn B habe dieser zu viel Sozialleistungen erhalten, welche ihm sonst nicht gezahlt worden wären.

Nach Prüfung aller Tatbestände entschied das Sozialgericht, dass ein Schadenersatzanspruch besteht und Berufsbetreuerin Frau A mit dem Betreuten Herrn B gesamtschuldnerisch haften.
Zudem wurde das Handeln von Berufsbetreuerin Frau A als grob fahrlässiges und als sozialwidrig beurteilt mit folgender richterlichen Begründung:

Gerade als Berufsbetreuerin, für die finanziellen Belange von Herrn B, habe sie eine Pflicht zum sorgsamen und achtsamen Umgang mit dessen Vermögen, was auch bedeutet, sich regelmäßig Überblick zu verschaffen. Nach Prüfung vorangegangener Schriftwechsel von Frau A mit dem Sozialamt sei davon auszugehen, dass eine Prüfung der Vermögensverhältnisse seit mehr als einem Jahr nicht mehr stattgefunden habe und der Tatbestand grober Fahrlässigkeit demnach gegeben sei. Über den Umgang mit Ämtern und deren Verfahrensweise im Allgemeinen habe sie, schon von Berufswegen her, Vorkenntnisse haben können. Sie habe demnach wissen müssen, dass bei einem monatlichen Leistungszeitraum, eine regelmäßige Prüfung der finanziellen Verhältnisse erforderlich ist.

Zusätzlich habe Berufsbetreuerin Frau A gegen ihre Mitwirkungspflicht gegenüber dem Sozialamt verstoßen. Auch wenn es keinen durchsetzbaren Anspruch auf eine Mitwirkungspflicht gibt, so ist diese doch ein unabdingbarer Bestandteil, damit das soziale System funktioniere. Das Sozialamt kann gegen eine fehlende Mitwirkung mit Kürzungen oder Aufhebungen eines Bescheides vorgehen. In diesem Falle wurde der Bescheid für den gesamten Bewilligungszeitraum 2015 aufgehoben und die fehlende Mitwirkungspflicht im Gerichtsurteil als sozialwidrig beurteilt.


Wie kann in dieser Situation eine Vermögensschadenhaftpflcihtversicherung helfen?

Zuerst könnte man sich die Frage stellen: Wäre es überhaupt zu einem Rechtsstreit vor Gericht gekommen, wenn Betreuerin Frau A von Anfang an einen Versicherer an ihrer Seite gehabt hätte? Im Nachhinein ist dies sicherlich nicht ganz einfach zu beantworten.

So hätte es für Berufsbetreuerin Frau A ausgehen können mit einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung.

Berufsbetreuerin Frau A leitet den gegen sie erlassenen Bescheid vom 06.04.2016 direkt an ihren Versicherer weiter. Dieser unterzieht den Fall einer ersten juristischen Prüfung, d.h. ob Frau A gegenüber dem Sozialamt tatsächlich einen verschuldeten Schaden verursacht hat und damit schadenersatzpflichtig ist. Oder ob der Schaden nicht schuldhaft verursacht wurde und somit vom Versicherer abgewehrt wird (passiver Rechtsschutz). In der Regel ist eine erste juristische Prüfung des Versicherers für den Versicherungsnehmer kostenfrei.

Sieht der Versicherer ein Verschulden der Berufsbetreuerin Frau A, so zahlt er die Schadenersatzforderung an den Anspruchsteller. Nichtberechtigte Ansprüche werden vom Versicherer abgewehrt, auch vor Gericht.

Was wäre, wenn Berufsbetreuerin Frau A vorsätzliches Handeln vorgeworfen worden wäre?

Das Gericht beurteilte das Handeln von Berufsbetreuerin Frau A als grob fahrlässig und sozialwidrig. Frau A hätte aber auch vorsätzliches Handeln vorgeworfen werden können, also das Begehen einer Straftat und somit die Verfolgung des Falles im Strafrecht und nicht im öffentlichen Recht. Gerade für solche Fälle bieten einige Versicherer in ihren Top-Tarifen der Vermögensschadenhaftpflicht erweiterten Strafrechtsschutz an.
Dieser kann dann nützlich sein, wenn eine strafrechtliche Verurteilung droht und ggf. eine damit verbundene Vorstrafe. Ist diese dann auch noch im polizeilichen Führungszeugnis erfasst, könnte Berufsbetreuerin Frau A ihren Beruf nicht mehr ausüben.




Die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Berufsbetreuer wird von einer Vielzahl von Versicherern angeboten. Hierbei stehen wir Ihnen zur Seite und finden den für Sie passenden Tarif. Egal ob grundlegender Prämienschutz in der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung oder eine Ergänzung um eine Betriebshaftpflichtversicherung, Sachversicherung oder die Abdeckung von Cyber- und Datenrisiken.


1 Das Beispiel ist angelehnt an folgendes Gerichtsurteil: SG Ulm, Urteil vom 13.06.2017, S 11 SO 1813 / 16

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